TIPS zur SEEMANNSCHAFT
Ein Nachtschlag bei einem Charter-Törn hat immer etwas faszinierendes, auch etwas unheimliches. Das liegt zum einen in der für Hobbysegler völlig ungewohnten Situation der Dunkelheit, zum anderen in der sich daraus ergebenden völlig veränderten Problematik der Schiffsführung. Ich meine damit nicht nur die Grundproblematik der Nachtwachen, der Übermüdung oder der Abschätzung des übrigen Seeverkehrs. Bedenken Sie: Ein "Mann über Bord" bei Dunkelheit bedeutet in der Regel einfach den Verlust des Crew-Mitglieds. Das Gefahrenpotential bei Dunkelheit steigt grundsätzlich steil an. Vorbereitung ist also wirklich notwendig. Trotzdem lasse man sich nicht davor abschrecken, denn ein Nachtsegeln beinhaltet ein ungeheueres, emotionales Segelerlebnis.
Wenn immer möglich, sollten die eigenen Segelmanöver minimiert werden. Bei Sonnenuntergang gehe man z.B. auf den Kurs, den man bis zum Tagesanbruch beibehalten möchte. Ich persönlich segle nachts keine Am-Wind-Kurse, schon allein weil ich der Crew einen Schlaf ermöglichen möchte. Raumschots bis maximal Halbwindkurs lassen sich alle Steuerbewegungen mit dem Großschot erledigen. Gerefft wird wenn möglich vor der Dunkelheit bzw. das Reffen kann zwischenzeitlich bei den meisten Charterschiffen problemlos aus dem Cockpit bewerkstelligt werden.  Bei Gefahr der völligen Wetterveränderung fällt der Nachtschlag einfach aus. Jeder der das Cockpit verläßt, warum eigentlich (?), weiß, wo er sich mit dem Life-Belt einzupicken hat und hat zusätzlich eine wasserdichte Taschenlampe am Körper. Scheuen sie sich nicht, zur zusätzlichen Absicherung ganz einfach die Decksbeleuchtung anzumachen.

Sie kennen die Vorschriften der Seeschiffahtrsstraßenordnung zur Lichterführung. Spätestens nachdem ich um ein Haar einen unbeleuchteten griechischen Fischer gerammt hatte, war mir die Realität klar: Topplicht muß, Heck- und Seitenlichter sollten oder sind vorgeschrieben, in Küstennähe oder beim nächtlichen Einlaufen in Häfen gilt das Prinzip Vergnügungsdampfer - alles an, Dampferlicht oder Decksbeleuchtung - Hauptsache sie werden gesehen.  Den vorüberziehenden, allgemeinen Seeverkehr einzuschätzen fällt dem ungeübten Beobachter extrem schwer, Kurs und Entfernung sind das Problem. Hier braucht es ein paar Erfahrungswerte. Glauben sie nicht, dass man ihnen ausweicht, weil sie unter Segel fahren. Ihre kernige Flüche in englischer Sprache auf Kanal 16 dienen höchstens ihrem Selbstbewußtsein.

Summa summarum: Das Nachtsegeln beinhaltet des Umsetzen einer fehlerfreien Seemannschaft. Belohnt wird man mit unvergesslichen Eindrücken eines Segeltörns. Als persönliches Erlebnis: Wir verließen die Soufriere Bay von St.Lucia kurz vor Sonnenuntergang. An St.Vincent vorbei sollte am nächsten Morgen die Admiralty Bay in Bequia erreicht werden. Als wir aus der Windabdeckung von St.Lucia herauskamen, hatten wir mehr Wind (30-35 Kts.) und mehr Welle (4-5m) als wir dachten, aber alles raumschots. Der Himmel war kristallklar. Der Polarstern knapp über dem Horizont in Nord, im Süden, direkt auf Kurs, das Kreuz des Südens, Hans- Albers-mäßig - Seemanns Braut ist die Seeeeei - wie im Film, einfach unvergeßlich.